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Kommt mit Dispo schon die nächste Hype-App?

Zurzeit sprießen die neuen Social Media Apps wie Pilze aus dem Boden und erfreuen sich an dem kollektiven „Fomo“-Gefühl aller Lockdown-müden Smartphone-Besitzer. Beziehungsweise iPhone-Besitzer. So kommt nun nach dem kollektiven Clubhouse-Hype das nächste große Ding: Die Foto-App Dispo ist genau wie Clubhouse iPhone-exklusiv und nur mit Invite zugänglich. Die Retro-Foto-App ist gerade vor allem in den USA recht populär, aber auch in Deutschland gewinnt sie zunehmend an Nutzern. Kein Wunder, denn Konzept und Design sind äußerst zeitgemäß.

Was war gestern noch mal los?

Dispo ist eine digitale Einwegkamera. Man muss zwar nicht das iPhone wegschmeißen, wenn man 20 Bilder geschossen hat, aber alle über den Tag geknipsten Fotos müssen erst entwickelt werden. Ja, ihr könnt euch die Fotos nicht sofort ansehen, sondern müsst bis zum nächsten Tag warten. Dann ist die Filmrolle entwickelt, und ihr könnt die Fotos auswählen, die ihr in eurem Profil zeigen wollt. So ist es tatsächlich jeden Tag ein wenig aufregend, wie die Bilder wohl geworden sind.

Jedes Foto hat natürlich einen entsprechenden Retro-Look wie aus einer Analog-Kamera und verschleiert erfolgreich, wie gut manche Smartphone-Kameras sind. Absichtlich unterbelichtet, verwaschen, übertrieben kontrastiert – die eigene Dispo-Library wirkt zwangsläufig wie ein Analogfotoalbum. Denn diese Nachbearbeitung ist anders als bei Instagram nicht optional, sondern betrifft jedes Bild, das von den Usern geteilt wird. Normale Fotos von Smartphones hochladen geht nicht.

Der Einwegkameralook wird durch den standardmäßig aktivierten Blitz noch verstärkt. So wirken viele öffentlich geteilte Filmrollen wie spontan geknipste Partyfotos – etwas, was wohl viele sehnlich vermissen. Ohne hier eine psychologische Erklärung zu suchen, warum Dispo zurzeit so beliebt ist.

Nicht nur die Fotos sind vintage

Das wird wohl nicht nur an einem Faktor liegen: Dispo hat einige bemerkenswerte Eigenheiten. Der Feed ist nicht das zentrale Element der App. Hier werden außerdem nur die abonnierten Rollen angezeigt. Profile und Feeds von Freunden müssen gezielt gesucht werden. So steht, anders als bei Instagram, wirklich das Fotografieren im Mittelpunkt. Beim Start der App ist immer der Kamera-Screen ausgewählt, und fertig entwickelte Fotos müssen explizit veröffentlicht werden; ansonsten bleiben sie privat.

Dieses „Anti-Instagram“-Konzept passt sehr gut in eine Zeit, in der immer mehr Menschen von ständig aktualisierenden, algorithmischen Feeds und endlosem Content genervt sind. Ähnlich wie bei Clubhouse gibt es bei Dispo derzeit kein zielloses Gescrolle durch die Timeline, sondern nur gezieltes Suchen nach Inhalten. Und durch die Entwicklungszeit der Bilder wirkt die gesamte App angenehm entschleunigt. Natürlich kann sich das schnell ändern, wenn das Startup irgendwann mal Geld verdienen muss. Der Zwang, User möglichst lange durch den Feed scrollen zu lassen, um ihnen die maximale Menge an Werbung einzuspielen, hat Instagram auch erst zu der Plattform gemacht, die es heute ist. Aber vielleicht greift der Entschleunigungstrend aus der Nachhaltigkeitsbewegung nun auch auf Social Media über, und Dispo ist sozusagen die erste echte Hipster-App.

Design

Neben dem eigentlichen Konzept ist auch das Design von Dispo bemerkenswert, weil es erfrischend poppig und wie direkt aus Dribbble oder Behance geklaut wirkt: Holo-Farbverläufe und animierte 3D-Objekte auf fast jedem Screen lassen die App gleichzeitig nach 1995 und 2021 aussehen. Das ist sehr trendy. Der Kamera-Screen ist einer echten Einwegkamera nachempfunden, mitsamt Drehrad, Sucher und Lämpchen für den Blitz. Das erinnert teilweise an fast vergessene iOS 6-Zeiten, als Skeuomorphismus noch das Schlagwort für UI-Design war. Nachdem Apple selbst mit macOS Big Sur dreidimensional anmutende App-Icons zurückbrachte, könnte Dispo das Ende des puren Flat-Designs weiter vorantreiben.

Besonders ist das erste Öffnen der App: Bevor ihr euren Nutzernamen eingeben könnt, müsst ihr erst die Einkaufstüte mit eurer neuen Kamera umstoßen und öffnen. Natürlich nur Spielerei, aber sicher wird niemand so schnell sein erstes Anmelden bei Dispo vergessen, und die Person, die das designt hat, ist bestimmt stolz darauf.

Jonas Rebmann

27. February 2021
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